Finanzbarcamp 2015: Ein spannender Überblick

Die comdirect veranstaltete Anfang November 2015 das erste Finanzbarcamp in Deutschland. Knapp 70 Teilnehmer tauschten sich umfassend an zwei Tagen über das Thema Finanzen in der ganzen Bandbreite aus – von Fintech über Bitcoin bis hin zu Kanban in der Kommunikationsabteilung. Mit diesem Artikel möchte ich einen kurzen Überblick über die Veranstaltung und die von mir besuchten Sessions geben – und was ich persönlich mitgenommen habe.

Ort des Geschehens war Haus Drei im industriell geprägten Offenbach (um es mal vornehm zu umschreiben). Das Haus Drei ist ein Industriegelände in der Nähe des Bahnhofs und eignete sich perfekt für so ein Barcamp. Als Sparfuchs gönnte ich mir ein relativ preiswertes Hotel in der Nähe des Deutschen Ledermuseums. Schaue Dir das Bild an und Du weißt, was ich mit industriell geprägt meine. Aber im Nachhinein betrachtet, war das Hotel in Ordnung und das Frühstück ausgesprochen gut.

Vorher hatte ich mal wieder so meine kleinen Probleme mit der Bahn, denn mein Zug hatte so viel Verspätung, dass ich den Anschluss verpasst hätte. So stieg ich in Kassel um – und landete beim Finanzwesir im Abteil. Leider war der Zug so voll, dass ich eine Stehparty veranstalten durfte. Dafür waren die Gespräche mit Albert wieder ein Highlight und wir konnten unsere Podcast-Aufnahme für den Abend planen.

Mein Hotel in Offenbach - von außen schlimmer als von innen.
Mein Hotel in Offenbach – von außen schlimmer als von innen.

Eins vorweg: Die Kosten der Veranstaltung wurde inklusive Essen und Trinken komplett von der comdirect übernommen, ohne das die Teilnehmer Eintritt bezahlen mussten. Anfahrt und Hotel musste ich aber selbst bezahlen. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum die comdirect so etwas macht? Auch für die AG aus Quickborn muss ja etwas herausspringen.

Im Vorfeld habe ich in Gesprächen häufig die Aussage gehört, dass sich die Direktbank auf diese Weise einen kostengünstigen Think Tank aufbaut, der wichtige Impulse für das künftige Bankgeschäft liefert. Ganz von der Hand zu weisen ist das natürlich nicht. Aber bei einem Barcamp geht es ja um die Impulse, die in den Diskussionen und Gesprächen erzeugt werden. Für mich persönlich war das Finanzbarcamp eine Quelle der Inspiration und ein wunderbarer Ort, um interessante Kontakte zu knüpfen. Ähnliche Erfahrungen wird die comdirect mit Sicherheit auch gemacht haben. Und das ist einfach eine tolle Sache!

Zunächst möchte ich aber die Frage klären, was ein Barcamp überhaupt ist. Ich erntete immer nur erstaunte Blicke als ich davon erzählte. Das ist – kurz gesagt – eine offene Tagung mit offenen Sessions bzw. Workshops. Jeder, der möchte, stellt sich morgens vor das Plenum und schlägt sein Thema vor. Wenn genügend Leute Interesse an der Session haben, wird sie einem Raum zugewiesen und findet statt. Insgesamt fanden an beiden Tagen über 30 komplett unterschiedliche Sessions statt.

Sessionverteilung im Überblick
Sessionverteilung im Überblick am zweiten Tag. Am ersten gab es sogar 5 Räume.

Ich habe insgesamt sechs Sessions besucht und hatte während der letzten Workshop-Runde eine so angeregte Diskussion über das Thema „Bank neu denken“, so dass ich auf die siebte verzichtete. Einen schönen Videorückblick gibt es hier (inklusive Finanzwesir in Aktion).

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Hier kommt jetzt mein Überblick über die von mir besuchten Sessions.

Session 1: Kanban/Agile Kommunikation

Die comdirect geht in der Kommunikationsabteilung neue Wege. Und zwar den Kanban-Weg. Ich hatte den Begriff zwar irgendwo aufgeschnappt, konnte aber erstmal damit nichts anfangen. Erst als Annette Siragusano, die Leiterin der Unternehmenskommunikation, den Vergleich zu Scrum bzw. zur agilen Softwareentwicklung brachte, konnte ich mir darunter etwas vorstellen.

Für mich als Marketing Manager aus der IT-Branche ist das natürlich ein sehr spannendes Thema, das ich mir näher anschauen wollte. Kanban hat zwar nichts mit Finanzen zu tun, aber ich fand die Einblicke in die Kommunikationsabteilung der comdirect sehr interessant.

Kanban ist eine Methode der Produktionsprozesssteuerung. Der Begriff kommt aus dem japanischen und steht für „Karte“ oder „Tafel“. Übersetzt geht es hier um mehrstufige Prozesse, die schrittweise und kostenoptimal umgesetzt werden. Visualisiert wird das ganze über ein Kanban-Board oder auch ein einfaches Whiteboard mit Post-it-Haftnotizen.

Im Falle der Kommunikationsabteilung geht es um genau passende Planung beispielsweise vom Finanzbarcamp in vielen kleinen Etappen – und nicht in einem großen Projektschritt. Du kannst es z. B. so machen, dass Du vier Spalten (In Planung, In Arbeit, Review, Abgeschlossen) erstellst und das Projekt Finanzbarcamp mit seinen Unterprojekten weiterwandert.

So wird das Risiko von am Ende auftretenden Problemen begrenzt und Schritt für Schritt abgearbeitet. Spannendes Thema, wobei mir danach wirklich der Kopf geschwirrt hat. Ganz so einfach klang das für mich jetzt nicht.

Der Finanzwesir und ich haben aber in unser einzigen gemeinsamen Session festgestellt, dass wir für unseren Podcast auch Kanban nutzen – ohne es zu wissen. Das ist nur im Netz und heißt Trello.

Oliver Vins erklärt seine Session.
Oliver Vins erklärt seine Session.

Session 2: Provisionsverbot

Mit dem Thema Provisionsverbot lassen sich allein schon ganze Konferenzen füllen. Es ist ein Thema, das immer wieder für Furore sorgt. In England, wo es schon umgesetzt wurde, wirbelte das Verbot die Finanzbranche ordentlich durcheinander und brachte unter anderem die Robo Advisor in den Fokus der Öffentlichkeit.

Wie kann so etwas aussehen und welche Folgen hätte es für die Banken? Mit dieser Fragestellung ist Oliver Vins vom Robo-Advisor Vaamo an die von ihm vorgeschlagene Session rangegangen. Der Raum war bis auf den letzten Platz besetzt, was die Attraktivität dieses Themas unterstrich.

Zum Verständnis: Wenn Du in die Bank gehst und dort eine Versicherung oder einen Fonds abschließt, bekommt der Bankverkäufer eine stattliche Provision. Häufig werden deshalb nämlich die für den Verkäufer höchste Provision bringenden Produkte empfohlen – und nicht die, die dem Kunden am meisten weiterhelfen. Mit dem Provisionsverbot soll genau das unterbunden werden und das Wohl des Kunden in den Mittelpunkt gestellt werden.

Problem: Das macht viele Banker arbeitslos und die Banken müssten dann eine andere Methode entwickeln, um Geld mit Privatkunden zu verdienen. Wie Du an der Deutschen Bank siehst, fällt das schon heute sehr schwer. Viele gehen nur noch zum Kaffeetrinken und einem Informationsplausch hin, was die Banken immens viel Geld kostet. Deshalb steht das Privatkundengeschäft vor einem enormen Umbruch.

Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich kein Mitleid. Der Wolf im Schafspelz hat jetzt endlich keine Schafswolle mehr und lang genug sein Unheil getrieben. Trotzdem sind Banken ja immer noch wichtig. Ein Modell, das die Kunden nicht mehr nur ausbeutet, sondern ihnen auch weiterhilft wäre mal eine wirklich gute Idee. Und genau hier setzen die Robo Advisor und andere Fintech-Unternehmen an. Aber im Podcast mit André Perko weist er auf das Problem hin, dass sich viele Leute eine Beratung nicht mehr leisten können. Das ist in England nämlich der Fall.

Natürlich lässt sich jetzt in 45 Minuten keine umfassende Lösung finden, aber Vorschläge wie unabhängige Bonuszahlungen bei hoher Kundenzufriedenheit (statt Provisionsempfehlung) oder die Bank als Dienstleister im Hintergrund sind schon mal ein Fingerzeig. In der neuen Folge des Podcasts „Der Finanzwesir rockt“ sprechen Albert und ich auch über dieses Thema.

Stephan Sachse erzählt von seinem Projekt Finanz-o-Mat.

Session 3: Finanz-o-Mat

In meiner dritten Session ging es um die Doktorarbeit von Stephan Sachse. Daraus hat er mit Kommilitonen ein gefördertes Fintech-Projekt namens „Finanz-o-Mat“ entwickelt. Das erinnert natürlich an den Wahl-o-Mat, nur eben mit dem Thema Finanzen. Es soll die Besucher auf die individuelle Geldanlage hinführen. Momentan ist es noch im Arbeitsmodus, aber es wird sich weiterentwickeln. Teste es doch mal.

Ich kann aber jetzt schon sagen, dass automatische Entscheidungsfinder voll im Trend sind. Klarplus beispielsweise. Der Geschäftsführer Alexander Schultz-Fielietz von Klarplus hat ja erst vor kurzem einen tollen Gastartikel auf meinem Blog veröffentlicht und war ebenfalls vor Ort in Offenbach. Vielleicht ist das ja in wenigen Jahren auch der Ersatz für Bankverkauf bzw. Provisionsverkauf.

Das Problem des Bankverkaufs ist der, dass sich die Banken vollkommen auf die Produkte konzentrieren. Dabei wollen die Kunden ihre Bedürfnisse wie Angst oder Sicherheit befriedigen, weshalb es sehr häufig zu Missverständnissen kommt. So ist der Kunde oft unzufrieden, hat keine Lust mehr auf das Thema Geldanlage und kümmert sich nicht mehr darum.

Auch um dieses Thema ging es in der Session und ich habe Stephan in meinen Podcast eingeladen, um das alles auch dort vorzustellen.

Verleihung des Finanzblogaward des Jahres

Danach war es Zeit für die Verleihung des Finanzblogaward des Jahres. Als einer von zehn Nominierten war ich schon wirklich gespannt, ob es für die vorderen Plätze gereicht hat. Und tatsächlich bin ich auf dem zweiten Platz gelandet. Ein tolles Erlebnis und vielen Dank nochmal an die Jury! Herzlichen Glückwunsch an die anderen drei Gewinner Plusvisionen, Coinspondent und den Publikumspreisgewinner Bitcoinblog.

Die Gewinner und comdirect CEO Arno Walter, Juryvorsitzender Thomas Knüwer und Jurymitglied Joachim Goldberg.
Die Gewinner und comdirect CEO Arno Walter, Juryvorsitzender Thomas Knüwer und Jurymitglied Joachim Goldberg.

Ein Video der Verleihung findest Du hier. Und ja: Ich hätte meinen Pulli beim Aufstehen runterziehen können, aber ich war latent angespannt. An so etwas Profanes habe ich nicht gedacht. 😉

Den Abschluß des Tages bildete die Aufnahme der vierten Folge des „Der Finanzwesir rockt“-Podcastes mit dem mobilen Studio. Dieses besteht aus einem gepolsterten Karton, einem R2D2-Mikro, einem Macbook und zwei Flaschen Bier aus der Trinkhalle. Auch wenn es schon ein langer Tag gewesen ist, haben wir die Aufnahme durchgezogen und hatten echt viel Spaß dabei.

Unser Aufnahmestudio im Hotel - nebst Bier aus der Trinkhalle nebenan.
Unser Aufnahmestudio im Hotel – nebst Bier aus der Trinkhalle nebenan.

Der zweite Tag begann mit einem schönen Frühstück und einer Rekapitulation des ersten Tages. Wieder ging anfangs das Mikro rum und jeder musste sich kurz vorstellen und seine Themen für den heutigen Tag erwähnen.

Session 4: Alltag eines Fondsmanagers

Der zweite Tag wurde für mich mit der Session eröffnet, wie ein Fondsmanager arbeitet und wie das Business funktioniert. Die Session hielt Daniel Kroeger von der Acatis Investment GmbH, die der eine oder andere mit Sicherheit durch den Chef Hendrik Leber kennt. Dort ist er für das Portfoliomanagement zuständig. Wie funktioniert der Alltag eines Fondsmanagers. Worauf muss er achten und wie kommt er an die ganzen Informationen. Gespräche mit Unternehmenschefs in den USA, Russland oder anderswo gehören zur Tagesordnung.

Ich fand die Session außerordentlich interessant, weshalb ich an dieser Stelle mal ein interessantes Video von Citywire mit Daniel einbetten möchte. Er war übrigens einer von zehn Daniels am zweiten Tag des Finanzbarcamps.

Ganze 120 unterschiedliche Werte fließen in die Entscheidungsfindung des Kaufs eines Aktienwerts bei Acatis. Natürlich sind auch solche auf Herz und Nieren geprüften Werte nicht gegen eine Börsenachterbahn gewappnet. Aber Du siehst ganz gut, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis nur ein minimaler Baustein zur Aktienbewertung ist.

Interessant war die abschließende Diskussion, ob ein Fondsmanager denn nun den hohen Aufschlag gegenüber einem günstigen Indexfonds ist. Viele waren der Meinung, dass ETFs hier die bessere Wahl. Auf seinem Blog berichtet Daniel auch über interessante Aspekte des Börsengeschehens.

Volle Hütte bei der Session von comdirect CEO Arno Walter.
Volle Hütte bei der Session von comdirect CEO Arno Walter – und der Finanzrocker möchte sich mitteilen.

Session 5: Quo vadis, Robo Advisor?

Wo geht denn der Weg der vielen Robo Adviser künftig hin? Bisher sind diese Fintech-Unternehmen noch kein großer Spieler auf dem Finanzmarkt, weil nur wenige Anlegergelder dort hineingeflossen sind. Das war zumindest die Fragestellung mit der der wirklich sympathische comdirect-CEO Arno Walter seine Session eröffnete.

Du kannst Dir vorstellen: Es wurde eine lebhafte Diskussion, die von Google Trends zum Thema Geldanlage über das Verhältnis von Geld bis hin zur Zukunftsvision der Fintechs alles abdeckte. Natürlich konnte ich mich bei meinem Leib und Magenthema nicht so ganz zurückhalten.

Hier spielt wieder die Frage eine Rolle, ob ein Provisionsverbot dafür sorgen würde, dass die Deutschen ihr Geld vermehrt in Vaamo, Easyfolio und Co. investieren würden. Grundsätzlich propagiere ich ja immer das günstige und eigenständige Geldanlegen. Aber wenn einer darauf keine Lust hat, dann hilft ein Robo Adviser für die Gebühr in Höhe von ca. 1,5 % weiter.

Spannende Session, die auch gerne zwei Stunden hätte dauern können.

Session 6: Bankkonzepte der Zukunft (Energieverkauf in der Bank)

Zu guter Letzt gab es noch eine interessante Diskussionsrunde zum Thema Bankkonzepte der Zukunft. Ist es sinnvoll für die Banken, sich beispielsweise Stromanbieter ins Boot zu holen, um so Geld zu verdienen. Die Session war eine Idee der Innovation Managerin der Comdirect, Jana Koch.

Der Tenor war hier während der Session: Banken sollten sich sich nicht „negativ“ mit Strom aufladen. Stattdessen sollten die Banken eher hinter den Kulissen das Kerngeschäft betreiben. Spannend war die Tatsache, dass die Dynamik der Diskussion hin und her wogte – um am Ende wieder bei der Frage zu landen, was das Kerngeschäft künftig ist. Jedenfalls keine Kooperation mit Stromanbietern.

Mein Finanzrocker-Pulli hat es sogar auf Twitter geschafft.

Bei Kaffee und Kuchen gab es dann noch eine Feedbackrunde, die außerordentlich gut war. Einhellige Meinung: Nächstes Jahr sollte wieder ein Finanzbarcamp stattfinden. Das muss nicht in Offenbach sein, aber es wäre ein wichtiger Treffpunkt, um über Finanzen zu sprechen.

Ach ja: Auch der Finanzwesir hat einen tollen Rückblick zum Finanzbarcamp geschrieben. Hier lohnt sich das Lesen!

Bildnachweise: Jens Braune del Angel www.jens-braune.de, Daniel Korth

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