„Historische Wertpapiere und Geldanlage für Kinder“ – Interview mit Matthias Schmitt

2017 sah ich durch Zufall ein Interview mit Matthias Schmitt auf der INVEST. Er erzählte dort von historischen Wertpapieren und von der Geldanlage für seine Tochter Damals schrieb ich mir seinen Namen auf die Liste potenzieller Podcast-Gäste. Nach dem Interview mit Thomas Wachinger meldete sich jedoch Matthias zuerst bei mir. In 90 Minuten sprechen wir über die historischen Wertpapiere, seine Geldanlage und auch die Investmentstrategie für seine Tochter.

Berlin, August 1934, Stammaktie über 300 RM, 2 Mal Daimler-Stern in der Randbordüre.

Im Interview sprechen Matthias und ich über seine ersten Schritte an der Börse, seine Lieblingsaktie, wie er Investmentgelegenheiten wahrnimmt und wie er seine Tochter für die Börse begeistert.

Eine ausführliche Zusammenfassung findest du weiter unten.

Shownotes Historische Wertpapiere

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Auszug aus dem Interview

Matthias, stell Dich doch einmal kurz vor.

Ich bin Vorstand beim Historischen Wertpapierhaus. Wir sind ein Auktionshaus für historische Wertpapiere. Früher war es so, dass Aktien noch gedruckt worden sind. Heute werden sie ja nur noch im Computer quasi verbucht. Früher sind die Aktien in Papierform verbrieft worden. Und wenn die Aktie dann verkauft worden ist, ist das Papier von einem zum anderen Besitzer gewechselt und diese Aktien werden heute gesammelt und haben eine kleine, feine Fan-Gemeinde.

Und wir vermitteln im Prinzip als Auktionshaus zwischen Leuten, die ihre Sammlung auflösen wollen oder Stücke gefunden haben, und wiederum Sammlern die dabei sind noch Sammlungen aufzubauen.

Bist du da jetzt in Deutschland allein oder gibt es ja noch mehr Häuser die alte Aktien verkaufen?

Im Wesentlichen gibt es weltweit drei größere Häuser. Daneben gibt es noch einige Kollegen, die in dem Bereich oder im Betrieb kleinere Veranstaltungen machen. Aber im Wesentlichen konzentriert sich das eigentlich auf die drei großen Veranstaltungen.

Bevor wir jetzt da ein bisschen weiter einsteigen würde ich ganz gerne mal ein bisschen zurückgehen denn du beschäftigst dich ja schon seit Jahrzehnten mit der Börse. Magst du vielleicht kurz erzählen wann und warum du damit begonnen hast.

Ja, gerne. Das Ganze hat eigentlich angefangen nach dem Crash 1987. Damals hat der Bankberater oder Bankverkäufer meinen Vater darauf gebracht, doch mal in Aktien zu investieren und sich das Ganze mal anzuschauen. Ich war elf oder zwölf. Und damals war es so, dass bei uns in der Familie der Sportteil und die eine Seite Wirtschaft in der Mainpost sehr beliebt waren. Das war in einem im selben Zeitungstitel und ich habe mich dann jeden Morgen mit meinem Vater um die Zeitung gestritten, weil er wollte die Börsenkurse schauen und ich wollte natürlich sehen was im Sport Neues gibt.

Und so hat er mich irgendwann drauf gebracht, mir ein bisschen was darüber erklärt und bin nach und nach da reingerutscht. Irgendwann hab ich dann bei einem Börsenspiel mitgemacht. Dann habe ich mich mit der Materie ein bisschen mehr beschäftigt, hab einiges dazu gelesen in der Zeit und als Schüler mit 17 angefangen die erste Order zu geben.

Was fasziniert dich denn so an diesem Thema Historische Wertpapiere?

Historische Wertpapiere haben eine ganz interessante Bedeutung und zwar wenn man mal historische Wertpapiere mit anderen Sammelgebieten vergleicht. Es gibt eine ganz interessante Eigenschaft und zwar bei Briefmarken oder Münzen beispielsweise wenn berühmte Persönlichkeiten oder Gebäude Erfindungen abgebildet werden. Nachdem jemand Erfolg hatte, ist er auf einer Briefmarke oder auf einem Geldschein gelandet. Auch Könige haben früher Münzen prägen lassen, wenn sie einen Sieg errungen hatten. Das nutzten sie nutzen dann als Kommunikationsmittel. Die Münze ist im Reich verteilt worden und durch das Verteilen der Münze hat jeder gewusst: „Okay unser König war erfolgreich“. Er hat wieder eine Schlacht gewonnen oder hat neue Ländereien erobert etc..

Bei den Wertpapieren ist es aber etwas anders. Wertpapiere haben in erster Linie eine Finanzierungs-Funktion. Das heißt, die Aktie diente als Werbeinstrument, um Geld einzuwerben. Und mit diesem Geld wurde dann etwas versucht oder realisiert.

Aber es war noch nicht klar, ob das Ganze erfolgreich wird oder scheitert. Steckt also noch eine gewisse Spannung in dem Papier drin oder es werden Geschichten von versuchten Unternehmungen erzählt, die nicht erfolgreich waren. Es wird also nicht nur die eine Seite gezeigt. Historische Wertpapiere zeigen auf der anderen Seite auch die Hunderte, die es versucht haben, und im Prinzip gescheitert sind.

Was gibt es denn dafür Beispiele von Wertpapieren, die dann gescheitert sind und heute viel wert sind?

Zum Beispiel sind die Terrain-Aktiengesellschaften aus Berlin. Berlin hatte von 1870 bis 1873 einen gigantischen Gründerboom. Damals wurden Planungen für Wohnhäuser aufgestellt, die ein Volumen von zwölf Millionen Einwohnern in Berlin gefasst hätten. Das heißt, wir hatten von 1870 bis 1873 den Börsen- und Gründungsschwindel in Deutschland. In der Zeit gingen im übrigen mehr Gesellschaften an die Börse als später zur Zeit des Neuen Marktes. Es war ein gigantischer Boom. Es war gigantisch viel Schwindel dabei, aber jeder war in der Stimmung: „Investieren, investieren, investieren!“.

Damals war es so, dass in Berlin wahnsinnig viele Wohnungsbaugesellschaften initiiert worden sind und letztendlich die meisten gescheitert sind, weil überhaupt keine Basis dafür da war – vor allem auch nicht die Einwohnerzahlen. Das Ganze ist dann zusammengebrochen. Gegen 1873 von Wien über Berlin folgte dann der Zusammenbruch und hat dann auch zu einer großen Krise geführt. Von den Firmen, die damals entstanden sind, sind 90-95 Prozent vom Kurszettel verschwunden. Es waren also ähnliche Parallelen wie zum neuen Markt.  Jetzt nach fast zwanzig Jahren sind einige Unternehmen, die das Wirtschaftsgeschehen bestimmen, wie eine Google oder eine Amazon.

Es gab wahnsinnig viele Neugründungen und einige Firmen in den 1870er Jahren, die diesen Wandel durchmachten, sind große Firmen geworden, wie beispielsweise die Deutsche Bank. Die sind zu der Zeit entstanden, aber 90 Prozent sind im Prinzip auf der Strecke geblieben oder hat der Markt aussortiert.

Nun zurück zu den Berliner Terrain-Gesellschaften. Aus dieser Zeit sind zum Beispiel sehr viele Stücke übrig, die auch sehr dekorativ sind, weil das ist eine Besonderheit der Wertpapiere. Sie waren ja in erster Linie ein Werbeinstrument für das Investment. Und je schöner die gestaltet waren, desto einfacher war es natürlich, auch den potenziellen Geldanleger davon zu überzeugen.

Jetzt stelle ich mir natürlich die Frage die Sachen sind ja sehr alt und es gibt ja auch nicht so viele Sammler wie viele Sammler gibt es weltweit die solche Wertpapiere sammeln.

Ja, das ist eine Frage, wie definiere ich jetzt den Sammler? Wenn ich jetzt mal sage, es ist jemand ,der ein fest definiertes Sammelgebiet als zum Beispiel sagt: „Ich sammle deutsche Eisenbahnen und dann auch konsequent verfolgt. Diese Sammlung aufzubauen. Zur Vervollständigung Ich habe immer 500 000 Euro im Jahr dazu bereit ist rein zu stecken. Dann schätze ich mal dass es weltweit um die 2000 vielleicht 3000 Sammler sind sehr überschaubar. Ja das ist relativ. Es ist ein kleiner Kreis und viele die dies intensiver sammeln lernt mir persönlich kennen. Es weiter fasst und sagt Es sind Leute, die sich so für ein Papier interessieren und auch mal eines kaufen und mal eins an die Wand hängen et cetera.

Oder die zum Beispiel einen Aktien-Kalender kaufen. Es gibt Kalender oder in sechs oder zwölf Original-Wertpapiere drin hängen, die zwar häufiger sind aber es sind Originale die Monat für Monat drin hängen. Dann sind wir irgendwo bei 15.000 bis 20.000 Interessenten oder Sammler weltweit. das ist die Frage

Wo kommen die meisten Sammler her?

Die meisten Sammler kommen im Moment noch aus Deutschland. Das hängt eigentlich auch ein bisschen mit der Entwicklung zusammen. Dieses Sammelgebiet ist eigentlich in den Siebzigerjahren in Deutschland entstanden, um eine Gruppe junger Banker herum eigentlich.

Parallel gab es in den USA einen sehr starken Markt. Heute hat sich das Ganze ein bisschen gewandelt.  Die jungen Märkte sind bei uns einerseits Russland, aber auch China oder Afrika – vor allem aus den arabischen Ländern kommt Nachfrage.

Wie viel ist denn so ein Wertpapier wert wenn es jetzt gerade aus dem 19. Jahrhundert kommt, wie das über das wir jetzt gerade gesprochen haben? Was zahlt man denn auf dem Markt?

Das Alter ist ein Faktor. Du bekommst Papiere aus dem 19. Jahrhundert für weniger als einen Euro. Es kommt darauf an wie selten so ein Papier ist. Dagegen gibt es andere Stücke, die Einzelstücke und richtig selten sind. Wenn sie dann noch von einer bedeutenden Firma kommen, können sie richtig Geld bringen. Also kurioserweise das teuerste Wertpapier, das wir bisher versteigert hatten, war eine Aktie der Graham-Newman Corp. Das war die Firma von Benjamin Graham. Und diese Aktie hat kein Geringerer als Warren Buffett signiert und zwar im Jahr 1956.

Das war etwa sechs oder acht Wochen bevor er aus der Firma ausgestiegen ist und sich quasi selbstständig gemacht hat. Dieses Stück haben wir vor zwei Jahren versteigert und es ging damals für 35.000 Euro weg. Das war jetzt das teuerste, was wir bisher versteigert hatten.

Das teuerste Papier überhaupt ist eigentlich der Monte-Carlo-Bond von Marcel Duchamps. Der Preis dürfte inzwischen bei knapp zwei Millionen Dollar liegen. Der wurde allerdings nicht in unserem Markt erzielt, sondern das Ganze geht als Kunstwerk durch. Und da haben die Kunstsammler in den letzten Jahren den Preis wahnsinnig in die Höhe getrieben.

Und wie kann ich mich jetzt orientieren wie viel so eine Aktie wert ist?

Es gibt mehrere Faktoren. Das eine ist die Seltenheit. Das zweite ist die finanzhistorische Bedeutung. Was weiterhin den Wert erhöht, ist einfach, wenn wichtige Unterschriften drauf sind – sogenannte Autographen. Wenn auf Wertpapieren ein Rockefeller oder Thomas Edison unterschrieben hat. Wir hatten sogar von Richard Wagner die Signatur auf dem Wertpapier.

Aber ich sage grundsätzlich: Wenn jemand sich fürs Sammeln interessiert  – und zwar egal ob das jetzt Wertpapiere sind oder ob jemand Briefmarken, Münzen, Modellautos etc. sammeln möchte, sollte schon eine Sammelleidenschaft dahinterstecken. Wenn nur die Geldanlage im Vordergrund steht, möchte ich behaupten, geht es häufig schief.

Aber würdest du trotzdem sagen, dass es keine reine Liebhaberei ist, sondern schon ein Teil der Geldanlage ist, aber unter bestimmten Voraussetzungen?

Es kommt darauf an. Immer im Fokus sollte die Liebhaberei bzw. bei Sammlern die Leidenschaft stehen und die Beschäftigung mit der Materie. Der Spaß am Erforschen der Sachen, Beziehungen knüpfen oder anderen Sachen entdecken,  warum beispielsweise Sachen schon damals so gelaufen sind oder wie etwas entdeckt wurde. Wie wurde was finanziert? Da gab es ja auch früher schon sehr viele interessante Finanzkonstruktionen. Dieser Spaß sollte definitiv im Vordergrund stehen, weil wir auch sehr viel fürs aktuelle Börsengeschehen lernen

Es kommt im Prinzip mit den historischen Wertpapieren auch ein Gefühl für den Aktienmarkt oder auf für den Aktienmarkt mitgeliefert. Man sieht einfach Sachen schon wie sie früher gelaufen sind und vieles wiederholt sich in ähnlicher Form doch zumindest immer wieder.

Das war jetzt eine Zusammenfassung des ersten Teils des Interviews. Im zweiten Teil berichtet Matthias über seine eigene Geldanlage und wie er seine Tochter über Jahre für die Börse begeistert hat. Den zweiten Teil gibt es nur im Podcast zu hören.

Bilder der historischen Wertpapiere und Texte: Matthias Schmitt

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11 Antworten

  1. Danke für den interessanten Artikel.
    Ich habe mir vor ein paar Jahren mal eine (gültige!) Coca Cola-Papieraktie gekauft, die sieht eingerahmt total schick aus und ist für mich ein Stück Kapitalmarkt zum Anfassen 🙂 Leider sind die Ausstellung- und Versandkosten aus den USA sehr hoch.
    Lustig ist auch die quartalsweise Zusendung von Dividendenschecks per Post aus den USA, die ich jetzt in einen Dividend Reinvestment Plan umgeändert habe. 🙂

    1. Auf Auktionen für Historische Wertpapiere gibt es hin und wieder auch noch Stücke, die noch gültig sind. Da ist der Aufschlag dann geringen als wenn man es direkt in den USA kauft. Aber die sind dann halt auf den eigenen Namen ausgestellt. Bei deutschen Papieren (z. B. Porsche) ist es einfacher: Das sind Inhaber-Aktien.

  2. Ich habe eine wunederschöne, historische Aktie aus Belgisch Kongo, von den Kilo Moto Bergwerken. Das hängt bei mir im Büro als eine Art Motivator. Immer wenn ich darauf sehe, dann erinnert sie mich daran, dass ich mein Geld irgendwann nur noch komplett als Investor verdienen möchte.

    Als manche Aktien sind wirklich extrem schön und richtige Kunstwerke. Auch die oben im Artikel von dem Schiffbauer, traumhaft.

  3. Noch einmal die Frage, wann der zweite Teil veröffentlicht wird („Wie Matthias seine Tochter für die Börse begeistert hat“)…?

    1. Ich würde es ja gern machen, aber zeitlich ist es mir nicht möglich den kompletten Text zu überarbeiten. Es ist ja auch kein normaler Blogartikel, sondern eine Podcast-Folge. Zum Anhören dauert der Teil aber auch nur 10 Minuten.

  4. Coole Folge!
    Vor allem, wie er seine Tochter zum investieren motiviert !
    Was war denn die andere Aktie neben Danaher, von der Mattias Schmitt so begeistert war?

  5. Echt coole Story! Ich bin selber vor vielen Jahren über einen „Reeperbahn Genuss-Schein“ (eine Jux-Aktie) auf dieses spannende Hobby aufmerksam geworden und finde die vielen Geschichten, die diese teilweise Kunstwerke erzählen, einfach faszinierend! Die „Norddeutsche Union“, die im Artikel abgebildet ist, habe ich übrigens auch! Ein wunderschöner Titel, der die Entwicklung der Werft toll grafisch darstellt! Ich kann dieses Hobby nur jedem wärmstens empfehlen!

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