„Provisionsverkauf ist korrumpierend!“ – Interview mit Anette Weiß von geld.wert Finanzbildung

In Folge 105 habe ich Anette Weiß zu Gast. Sie vermittelt Finanzbildung auf etwas andere Art und Weise und achtet darauf, dass sie keinen Provisionsverkauf macht. Über das Warum und einiges mehr sprechen wir in der interessanten Podcast-Folge.

Anette Weiss

Überblick Anette Weiss

Bisher habe ich Anette noch nie persönlich kennengelernt, sondern nur über sozialen Medien verfolgt. Erst durch ein Bloginterview von meiner Kollegin für den oncampus-Blog hatte ich die Idee, mit ihr ein ausführliches Interview zu führen. Nachdem wir unseren Gesprächstermin schon im Mai ausmachten, war es dann Ende August endlich so weit. Und das Interview lief anders als ich es erwartet habe.

In dem Interview kam sehr gut rüber, dass Anette komplett anders vorgeht als ihre Kollegen aus der Honorarberatung. Deswegen vermittelt sie in erster Linie auch keine Produkte, sondern Finanzbildung, die ihre Kunden befähigt, eigenständig anzulegen.

Ausführlich erklärt sie im Gespräch, wieso sie es so macht, worauf man bei der Altersvorsorge achten sollte und warum sie Provisionsverkauf nicht mag. Es ist ein wirklich interessantes Interview geworden.

Einen Auszug findest du weiter unten.

Shownotes Anette Weiss

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Folge mit Anette Weiß gleich anhören

Kurze Zusammenfassung vom Interview mit Anette Weiß von geld.wert Finanzbildung

Anette Weiss PortraitfotoKurze Vorstellung

Mein Name ist Anette Weiß und ich vermittle hauptberuflich Finanzbildung – und zwar Finanzbildung im Sinne von Wissen. Und erst an zweiter Stelle auch in Richtung Finanzberatung.

Du hast früher ganz normal in der Bank gearbeitet und dich dann irgendwann entschieden, etwas Eigenes auf eigene Beine zu stellen. Wie kam es dazu?

Ich habe eine Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht, weil ich nicht BWL studieren wollte. Das haben damals alle gemacht. In der Bank stellte ich fest, dass mir der Beruf sehr viel Spaß macht und so war ich tatsächlich 20 Jahre lang mit Leib und Seele Bankerin. Zwischendurch habe ich noch studiert.

Im Laufe der Zeit hat sich aber diese Bankberatung immer mehr zu einem Bankverkauf gewandelt. Irgendwann stand ich dann da und habe mich gefragt: „Wenn ich hätte Verkäufer hätte lernen wollen, hätte ich das auch getan.“

Dann kam die Finanzkrise und während der Finanzkrise dachte ich dann auch, jetzt wird sich ja was ändern oder irgendwas passieren. Aber es passierte nichts. Für mich war das dann tatsächlich der Punkt an dem ich eines schönen Morgens aufgewacht bin und gedacht habe: „Macht Euer Ding mal allein. Ich mache mich selbstständig.“

Rente ohne Roulette

Wie schwer ist es dir gefallen, sich im Bereich Finanzen selbstständig zu machen – ohne sich von der Provision abhängig zu machen?

Ich bin aus der Bank raus und habe mich sofort als Honorarberaterin selbständig gemacht. Für mich war das aber kein Thema, irgendetwas gegen Prozente zu vermitteln. Alles was gegen Prozente vermittelt wird und abhängig vom Umsatz ist, halte ich für korrumpierend.  Trotzdem ging es auch da wieder um Produktverkauf.

Ich wollte tatsächlich für meine Beratung entlohnt werden und zwar ausschließlich für die Beratung. Sprich: Das Produkt an sich ist letztendlich vollkommen egal und wenn ich zwei Stunden oder 5 Stunden oder 10 Stunden mit dem Kunden zusammensitzen möchte, dann zahlt er für die Stunden und nicht für das vermittelte Produkt. Heute gehe ich noch einen Schritt weiter und vermittle gar keine Produkte mehr. Deswegen vermittle ich heute tatsächlich Finanzbildung und zwar so richtig auch mit Rechnen und den ganzen Grundlagen. Für mich gehört das ebenfalls zur Finanzbildung dazu.

Die Buchreihe: Geld und Gloria

Wie wichtig ist es für Anleger die drei Säulen zu kennen und für sein Vermögen zu nutzen?

Altersvorsorge und Vermögensaufbau sind zwei vollkommen verschiedene Paar Schuhe, die man gesondert betrachten sollte. Altersvorsorge muss das Wichtigste abdecken wie essen, trinken und nicht unter der Brücke schlafen. Heutzutage geht es nicht mehr darum, dass man ein auskömmliches Leben mit der gesetzlichen Rente führt. Die Zeiten sind vorbei, weshalb jeder diese Grundversorgung mit der gesetzlichen Rente aufbaut. Das ist die erste Säule.

Dann schaut man: Rentiert sich die zweite Säule bzw. betriebliche Altersversorgung für mich? Da gibt es viele Dinge zu beachten und das muss man einfach einmal durchgesprochen haben. Danach schaut man, ob sich womöglich ein Riester-oder Rürüp-Vertrag oder eine private Rentenversicherung lohnen könnte. Zu jedem dieser Themen kann man sich ja dann weiterbilden und entscheiden, was man davon wirklich braucht.

Auch die Frau muss sich um Geld kümmern

Das Thema Frauen hast du ja auch schon angesprochen und das ist auch ein Thema was wirklich schwierig ist, weil Frauen ja häufig der Meinung sind sie müssen sich gar nicht um ihre eigene Finanzbildung kümmern. In der Regel kümmert sich darum der Mann und die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder.

Diese Denke ist in meinen Augen völlig falsch und die irgendwann wie ein Bumerang auch zurückkommen kann, wenn es beispielsweise zur Scheidung kommt. Jetzt ist es bei Frauen so, dass sie auch eine gewisse Nestwärme brauchen, um sich auszutauschen. Das merke ich in erster Linie bei der Facebook-Gruppe von Madame Moneypenny, wo nur Frauen reindürfen.

Dort hat man auch einen komplett anderen Austausch als beispielsweise in der Dividendenstrategie-Gruppe, wo fast nur Männer sind. Wie bekommt man Frauen denn dazu, sich um ihre eigene Finanzbildung zu kümmern.

Das Bild, das sich Frauen nicht um ihre Finanzen kümmern ist falsch, denn wer kauft denn in der Regel ein und verwaltet da die Budgets? Wenn der Mann nicht abends ein ordentliches Essen auf dem Tisch hat, wird er sich beschweren. Und wenn sie dann sagt: „Na ja, aber das Budget ist alle. Du hast mir nicht genug gegeben!“ ist es auch nicht recht.

Ich merke zunehmend. dass Frauen sich durchaus interessieren, sehr interessieren sogar. Es fällt ihnen aber schwer, sich in einem männlichen Umfeld – und die Finanzbranche ist eben immer noch ein männliches Umfeld – zu behaupten. Wenn man dann in einem Beratungsgespräch sitzt und eine Frau versteht irgendwas nicht, da fragt sie vielleicht einmal nach.

Aber der Berater oder die Beraterin erklärt ihr das noch mal mit den gleichen Worten wie vorher, weil das war ja schon so effektiv und sie versteht es immer noch nicht, wird sie dann aber nicht ein zweites Mal nachfragen. Sie wird nicht darauf bestehen, dass es nochmal verständlicher erklärt wird. Das machen Frauen nicht.

Und wenn der Mann dann noch nebendran sitzt und er macht den Eindruck, als hätte er es verstanden, denkt die Frau nachher, wenn er es verstanden hat, kann er mir es ja erklären. Dann gehen sie nach Hause und hinterher hat er es auch nicht verstanden.

So oder so arbeiten sie sich dann gegenseitig in ein Nichtwissen hinein. Dagegen hilft halt nur Finanzbildung. Und in der Gruppe von Madame Moneypenny, wo ich ja auch aktiv bin, herrscht ein vollkommen anderer Umgangston als z. B. bei Aktien mit Kopf. Eine Frau denkt sich in der Aktien mit Kopf-Gruppe nach 3 Wochen auch, macht ihr das mal, aber das ist nichts für mich. Bei Madame Moneypenny wird dann halt auch mal ein Satz mehr geschrieben und anschaulich erklärt. Diese Achtsamkeit ist tatsächlich in Frauengruppen deutlich höher.

Deine Aussagen passen auch sehr gut zum Buch von Natascha, das ja schon vor Veröffentlichung zum Bestseller wurde. Ich lese gerade das Buch und ich finde super. Generell lese ich ja wirklich sehr viel Finanzliteratur und kann es durchaus auch vergleichen, aber ich habe bisher noch kein Buch gehabt, das Finanzbildung so anschaulich erläutert wie „Was Frauen über Geld wissen sollten“.

Das Buch ist tatsächlich auf eine weibliche Zielgruppe ausgelegt und das Wissen wir komplett neu vermittelt durch Gespräche beim Grillabend mit ihrer Familie. Für die Finanzbildung der Frauen ist dieses Buch eigentlich das Non-Plus-Ultra, würde ich sagen. Und auch Männern schadet es nicht.

Ich hatte die Freude das Buch redigieren zu dürfen und bin deiner Meinung. Das Schöne an ihrem Buch ist ja, dass Finanzbildung nicht an den Bankschalter gehört, sondern an den Küchentisch oder zu einem Grillabend. Es ist ein sehr, sehr gutes Einstiegsbuch für Finanzbildung.

Das Buch für Frauen

Wer sind denn die Geldlehrer?

Die Geldlehrer sind ein Verein, in dem sich Finanzpraktiker zusammengeschlossen und einen Lehrplan entwickelt haben. Hauptbestandteil unseres Unterrichts ist Geld rechnen. Damit gehen wir in die Schulen und bringen den Kindern hauptsächlich in der zehnten Klasse. Ganz wichtig dabei ist unser Ehrenkodex, denn wir wollen in den Schulen nichts verkaufen.

Warum kostet der Eintritt bei den Geldlehrern fast 3.000 Euro?

Auf der einen Seite ist das ein inneres Kommitment. Wer so viel Geld in die Hand nimmt, will das unbedingt machen. Und andererseits benutzen wir diese 2.900 € dazu, um die Rechner und die Bücher für die Kinder zu bezahlen. Die erhalten einen Geldrechner und natürlich auch ein Begleitbuch. Das muss ja mal bezahlt werden – und als eingetragener Verein können wir uns das nicht leisten.

Das war nur eine kurzer Auszug eines kleinen Teils des Gesprächs. Viel mehr erfährst du in der ausführlichen Podcast-Folge!

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3 Antworten

  1. Ich möchte mich bedanken für diesen super Podcast, bin erste vor 1-2 Wochen über dich gestolpert und dein doch stark abweichendes Konzept zum Einheitsbrei der meisten anderen Finanzblogger hat frischen Wind in meine Podcast-Playlist gebracht.

    Eine Anmerkung habe ich, zum aktuellen Podcast: Ganz am Ende redet ihr über Kryptowährungen und die Abschaffung des Bargeldes. Diese zwei Themen lassen sich im Prinzip super verknüpfen und sollte nicht allein betrachtet werden. Der Bitcoin an sich ist nur semianonym, durch das Lightningnetzwerk wird er allerdings komplett anonymisiert, und es gibt andere komplett anonyme Kryptowährungen. Und genau an dem Zeitpunkt an dem das Bargeld abgeschafft wird, werden diese Kryptowährungen als Bargeldersatz vermutlich ihre Stärke ausspielen. Natürlich bleibt es jedem überlassen in Kryptowährungen zu „investieren“, was derzeit natürlich hoch riskant ist!

    Ansonsten war der Podcast super informativ und inspirierend. Mag es wenn du auch die deutlich unterrepräsentierten Frauen in der Finanzszene zur Geltung bringst. Weiter so. 🙂

  2. … auch wenn es seit 2008 nicht mehr wirklich originell ist, es ist jedesmal erfrischend, richtig und wichtig darauf hinzuweisen, dass das traditionelle Banking, also das provisionsgetriebene Geschäft sich gegen den Kunden wendet… Solange Honorarberater wie Frau Weiss noch immer ein ganz kleiner Ausschnitt des gesamten Finanzmarktes sind, kann man das nicht oft genug sagen….

    … sehr lachen musste ich über die Situation: er tut so als hätte er es verstanden, sie tut so als würde sie glauben, dass er es verstanden hätte, beide gehen heim und haben nichts verstanden…

    Liebe Frau Weiß, weiter viel Erfolg.

    Lg

    Nikolaus Braun

  3. Hallo Daniel,
    generell mag ich deine Podcasts sehr und danke dir auch für diese interessante Folge.
    Eine Anregung möchte ich mir diesmal jedoch erlauben:

    Ich hätte mir äußerst kritische Nachfragen von dir zum Punkt Riester gewünscht und auch erwartet. Aus meiner Sicht ist Riester eine reine Umverteilung von Steuermitteln: Ein Teil geht an Geringverdiener mit Kindern als Zulage, ein Teil eben aber auch als Kosten an die Finanzbranche.
    Was Einzelpersonen an „Rendite“ (= größtenteils die aus Steuermitteln bezahlte Zulage) bekommen, verliert die Gesamtheit der Steuerzahler. Die Renditeanteil aus eventuellen Finanzmarktanteilen ist aus Sicherheitsgründen extrem niedrig. Meiner Meinung nach steht Riester im krassen Gegensatz zum Geist dieses Podcasts. Riester ist und bleibt in jeder mir bekannten Form eine Anlage mit niedriger Rendite und hohen Kosten, im Wesentlichen ein Konjunkturpaket für die Finanzbranche. Sinn machen würde Riester für mich nur, wenn ich damit selbstbestimmt in selbstgewählte Low-Cost-ETFs, Einzelaktien, P2P etc. investieren könnte.

    Annette sagte ja, dass man sich das genau ansehen muss und für manche Leute Riester absolut sinnvoll sein kann. Hier also ein Blick auf die Details:

    Laut ihrer Quelle (https://www.finanzbildung.jetzt/riester-produktarten-was-fuer-wen-und-warum/) gibt es 4 Möglichkeiten:
    Du schließt einen Banksparvertrag ab.
    Du schließt eine Rentenversicherung ab.
    Du schließt einen Fondssparpaln ab.
    Die schließt einen Bausparvertrag ab.

    Banksparvertrag bei realen Negativzinsen, die in absehbarer Zeit auch nicht steigen werden? Ernsthaft?
    Die anderen 3 Formen haben eine hohe Komplexität und hohe Kosten.
    Wenn allein die staatliche Zulage das Argument sein soll, kann ich nur sagen, dann soll man lieber direkt aus Steuermitteln die staatliche Rente bezuschussen und nicht den Umweg über die Finanzbranche nehmen. Auf diese Weise werden einfach nur Steuermittel an die Finanzbranche verteilt. Aus meiner Sicht ein Konjunkturpaket für die Finanzbranche und ein Verlustgeschäft für die Gesamtheit der Steuerzahler.

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