Es ist faszinierend, wie dir an der Börse Unternehmen auffallen, die dir im normalen Leben sonst nie aufgefallen sind. In einer Börsenzeitschrift habe ich 2014 von einem Unternehmen namens IVU Traffic Technologies gelesen. Sie erstellen spezielle IT-Lösungen für Verkehrsunternehmen, mit deren Hilfe sie den Verkehr verwalten, planen und optimieren können.
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Überblick Aktie IVU Traffic
Klingt spannend, dachte ich mir. Da forsche ich mal nach und schaue mir die Aktie mal genauer an. Jetzt muss ich dazu sagen, dass die Aktie damals einen Wert von 2,50 Euro hatte und sich in den zwölf Monaten zuvor nur wenig von der Stelle bewegt hatte.
So schaute ich mir die Kennzahlen an, die zu diesem Zeitpunkt gut waren. Als nächstes kam das Unternehmen selbst an die Reihe. Seit genau 40 Jahren sorgt die IVU Traffic Technologies AG mit 400 Ingenieuren dafür, dass der Verkehr in Großstädten reibungslos funktioniert oder Transporte ohne Probleme durchgeführt werden können. Das machen sie auf Basis einer IT-Komplettlösung oder einzelnen Komponenten, die an weitere Unternehmenslösungen wie beispielsweise SAP angedockt sind.
Nun habe ich einige Jahre lang im IT-Bereich gearbeitet und Marketingtexte dafür entwickelt. Häufig klang das genauso wie eben geschildert. Ein wenig Bullshit-Bingo geht eben immer. Aber kannst Du Dir anhand der Beschreibung vorstellen, was IVU Traffic Technologies nun wirklich macht? Nein? Ich konnte es auch nicht. Und genau deshalb kaufte ich die Aktie nicht.
Investiere niemals in ein Geschäftsmodell, das du nicht verstehst.
Zitat von Börsenlegende Warren Buffett
Eines Tages saß ich gedankenverloren in der ersten Sitzplatzreihe im Bus der Lübecker Verkehrsbetriebe und wollte zur Arbeit nach Hamburg. Hinter mir lärmten die ganzen Schulkinder, vor mir saß der Busfahrer latent angenervt. Business as usal. Neue Fahrgäste stiegen ein und benötigten ein Ticket. Irgendwie schaute ich auf den Fahrkartenautomaten des Busfahrers. Und was stand darauf? IVU Traffic. Ach, Fahrkartensysteme machen die also auch.
Teure Fahrkarten
Nun muss ich dazu sagen: Der Stadtverkehr Lübeck ist schweineteuer. Fast so teuer wie Berlin, aber die Hauptstadt ist zwanzigmal so groß wie das Hansestädtchen. Eine Besonderheit ist die Tatsache, dass kein Fahrgast vor 9 Uhr ein Kurzstrecken-Ticket kaufen kann. Warum? Damit die Verkehrsbetriebe bei den Arbeitnehmern ordentlich Geld abzocken können, um die horrenden Kosten für Busfahrer, Busse und IT-Systeme bezahlen zu können.
Interessanterweise erzählten mir die Busfahrer ständig, dass sie das nicht ändern können – selbst wenn sie wollten. „Das ist im System so eingestellt“, war immer wieder die Antwort. Da ich nur vier Stationen bis zum Bahnhof fahre, musste ich also an Tagen ohne Monatskarte 2,50 € statt 1,80 € bezahlen.
Leitsystem auf GPS-Basis
Mein Interesse war geweckt. Jetzt schaute ich morgens immer wieder auf dieses IT-System und konnte erkennen, dass es noch einiges mehr machen kann. Auf einem Bildschirm sieht der Fahrer die kommenden Stationen, ob er zeitlich im Plan ist, verkauft die Tickets und einiges mehr. Dabei handelt es sich um ein zentrales Leitsystem auf GPS-Basis, das den Standort jedes Busses an die Leitstellen und die elektronischen Anzeigen an den Haltestellen weitergeben.
Jetzt hatte ich es verstanden. Ich schaute mir weitere Artikel über IVU Traffic Technologies an und schließlich kam es so, dass ich mir ein paar Dutzend Aktien von IVU Traffic Technologies zum Preis von 2,75 ins Depot legte – trotz einer nur marginal vorhandenen Wertsteigerung in den vergangenen Jahren.
Bevor ich näher auf die Aktie eingehe noch eine Anmerkung: Die Aktien aus meiner Plattensammlung bzw. aus meinem Depot sind mitunter arg spekulativ und definitiv keine Kaufempfehlung. Ich möchte einfach aufzeigen, warum ich mich dafür entschieden habe und was für Leiden (und teilweise auch Freuden ;-)) ich mit meinen Aktien habe. Das gibt Dir vielleicht auch ein besseres Gefühl zu diesem Thema und Du siehst, worauf ich achte.
Was macht das Unternehmen denn so besonders?
1. Der Burggraben
Es gibt nicht so viel Konkurrenz auf dem Markt. Da die IVU seit mittlerweile 40 Jahren auf dem Markt agiert und so über extrem viel Erfahrung verfügt, können neue Konkurrenten gar nicht so schnell aufschließen. Das führt zu einer Markteintrittsbarriere, also einem Burggraben, den keiner so schnell überwindet. Für ein Geschäftsfeld ist so etwas immer Gold wert.
2. Moderne Lösungen
IVU geht mit der Zeit und entwickelt Apps und Cloud-Lösungen für ihre Kunden – auch komplett kundenspezifische Lösungen. Da die Umstellung immer viel Zeit benötigt (siehe SAP) und die IVU diesen Schritt schon vollzogen hat, funktioniert das Geldverdienen dann auch schneller.
3. Weltweit wachsen
Starkes Wachstum ist möglich. Knapp über die Hälfte des Geschäfts läuft bei dem Berliner Unternehmen in Deutschland. Vor zehn Jahren waren es noch 80 Prozent. Aber es kommen immer wieder neue europäische Länder dazu, die IVU beliefert. Auch die weltweite Expansion kommt langsam ins Rollen, wobei gerade in den USA mit der INIT AG (die aus Karlsruhe kommen) ein größerer Konkurrenz schon dick im Geschäft ist. Außerdem möcht die IVU künftig stärker auch Logistiklösungen vertreiben.
4. Gute Zahlen
Die Kennzahlen können sich sehen lassen. Das Kurs-Gewinnverhältnis (KGV) liegt bei 12,1, die Eigenkapitalquote bei 63 Prozent und das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) liegt bei 1,9. 2015 hat das Unternehmen den Umsatz um ganze 20 Prozent gesteigert. Das EBIT wächst um 15 Prozent. Trotzdem ist das HGB-Ergebnis (siehe Punkt 4.1) negativ, weshalb es 2016 auch keine Dividende gibt.
Im letzten Jahr sind die Kurse von IVU Traffic gesunken. Seit November sind die Kurse sogar um über zehn Prozent gefallen – von 4,68 Euro auf 3,46 Euro pro Stück. Zwar stabilisiert sich die Aktie mittlerweile, aber ich habe meine Aktien schon vor einiger Zeit mit etwas Gewinn verkauft und bin somit Kurzstrecke gefahren.
Fazit
Dennoch habe ich das Berliner Unternehmen für einen Wiedereinstieg immer noch auf dem Schirm, weil mir das Modell gefällt, die Firma seit 1976 existiert und noch ein größeres Wachstumspotenzial vorhanden ist. Wer sich etwas mehr mit IVU Traffic Technologies auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich den Analyseartikel vom Preis- und Wert-Aktienblog und den Besuch von der Hauptversammlung 2015. Oder gleich den kompletten Geschäftsbericht 2015.
Interessant ist die Tatsache, dass viele Großstädte einen großen Nachholbedarf bei der Umrüstung und Modernisierung ihrer Verkehrssysteme haben. Lübeck hat größtenteils noch ziemlich alte Systeme der IVU Traffic, rüstet aber seit einigen Wochen auf. Das neue System sieht sehr futuristisch aus – und ist wohl auch kompliziert zu bedienen. Die Busfahrer jammern jedenfalls ständig. Aber das zeigt, dass hier noch viel Potenzial für neue Aufträge schlummert. Auch mit meinem Smartphone kann ich noch keine Fahrkarte in der Hansestadt kaufen. Gleiches gilt für viele andere Großstädte.
Da der Trend nach wie vor in der Verstädterung (die sogenannte Urbanisierung) liegt und die Städte weiter wachsen werden, wachsen auch die Ansprüche an die Verkehrsbetriebe und somit auch das Potenzial von Anbietern solcher Verkehrssysteme. Denn mit veralteten Systemen stoßen die Stadtwerke und Verkehrsbetriebe immer mehr an ihre Grenzen.
Wenn man bedenkt, dass gerade in Südeuropa viele Länder noch viel ältere Systeme haben, dann erkennt man leicht die Möglichkeiten eines Unternehmens wie IVU Traffic. Hier kommt es aber auch wieder auf einen guten Vertrieb an, der zeigt, welche Vorteile ein neues System für die Stadt und die Fahrgäste haben.
Alternativ lohnt sich auch ein Blick auf die Aktie von Konkurrent INIT, die ein Stückchen weiter sind als die IVU – unter anderem in den USA.
In der Reihe Plattensammlung sind folgende Aktien bisher besprochen worden:
Adidas: Drei Streifen für ein Hallelujah
Einzelhandel Aktien im Vergleich: Walmart, Costco und Kroger in der Aktien-Analyse
3 Werkzeug-Aktien im Vergleich: Analyse Fastenal, Snap-on und Stanley Black & Decker
Netflix: Die Zukunft des Fernsehens
STO SE Aktie: 1 Tag, 1 Dividende, 229 Euro
2 Antworten
Hallo Daniel!
Ein schöner, kurzweiliger Kurzstrecken-Artikel.
Weißt du eigentlich, ob ich herausfinden kann, ob so eine kleine Aktie in irgendeinem Index vertreten ist, auf dem es ein ETF gibt?
Lieben Gruß
Jens
Hallo Jens,
freut mich, dass Dir der Artikel gefallen hat. Den habe ich jetzt schon ein halbes Jahr auf meiner To-Do-Liste und bin froh, dass ich ihn endlich fertigstellen konnte.
Was Deine Frage angeht: Kleine Aktien findest Du immer in sogenannten „Small and Midcap ETFs“, die es für die unterschiedlichen Märkte gibt. Häufig schwanken diese ETFs noch ein wenig mehr als die Indizes großer Unternehmen, wachsen aber auch stärker. Das sieht man ja beispielsweise auch am MDax, der mittelgroße Unternehmen abdeckt. Diese sind aber eher sinnvoll, wenn Du ein größeres Vermögen diversifizieren möchtest. Ich kann Dir aber leider nicht sagen, ob IVU Traffic da irgendwo enthalten ist. Eher nicht, würde ich sagen.
Viele Grüße
Daniel