In die zweite Staffel von „Der Finanzwesir rockt“ starten wir mit einem absoluten Kracher-Duell. Wir haben mit Professor Martin Weber und Dr. Gerd Kommer zwei Experten eingeladen, mit denen wir über Sinn und Unsinn von Faktor-ETFs sprechen wollen. Herausgekommen ist ein tiefgehendes und amüsantes Streitgespräch.
Inhalt
Was sind Faktor-ETFs?
Immer wieder werden wir gefragt: Soll ich einen Smart-Beta-ETF kaufen? Kann ich mehr verdienen, wenn ich auf die Faktoren Momentum, Value, Quality oder Size (Small Cap) setze?
An dieser Stelle müssen wir uns erst einmal die Frage stellen: Was sind überhaupt Faktor-ETFs?
Faktor-ETFs bilden Indizes auf Basis eines bestimmten Schwerpunkts ab. Diese Schwerpunkte sollen die Nachteile klassischer Indizes wie dem MSCI World, dem Dow Jones oder Dax beseitigen. In der Regel sollen Faktoren auf lange Sicht für ein Renditeplus im Vergleich zu breit diversifizierten Indizes wie dem ACWI oder World.
Laut Gerd Kommer eignet sich die Mischung von klassischen ETFs mit einem kleinen Anteil bestimmter Faktoren besonders gut, um ein Mehr an Rendite zu erhalten.
Faktor-ETFs werden häufig als Smart-Beta-ETFs bezeichnet. Das sind börsengehandelte Fonds, die einen alternativen, speziell gewichteten Index nachbilden.
Was ist ein Faktor?
Aber was ist eigentlich ein Faktor? Faktoren sind quantizierbare Unternehmensmerkmale wie beispielsweise eine geringe Schwankungsbreite (Low Volatility), die Größe (Size), kleine Unternehmen (Small Cap), Profitabilität (Profitability) oder auch eine niedrige Bewertung (Value).
Diese sogenannten Faktor-Prämien sollen für eine höhere risikoadjustierte Rendite sorgen. In den letzten fünfzig Jahren wurden in der Forschung hunderte von Faktoren identifiziert, die sich auf die Rendite auswirken sollen. Aber ist es wirklich ein verlässlicher Indikator?
Was ist ein Multi-Faktor-ETF?
Ein Multi-Faktor-ETF nutzt diese wissenschaftlichen Erkenntnisse und investiert gleich in mehrere Faktoren. Dabei wird dann in direkt in einzelne Aktien investiert und nicht in einzelne Faktor-ETFs.
Das ist dann auch kein passives Investieren mehr, sondern es wird versucht, aktiv durch die Vermischung der Faktoren eine Überrendite zu erzielen.
An dieser Stelle wird dann häufig in der Forschung darüber diskutiert, inwiefern sich die Anlage in Faktor-ETFs, Multi-Faktor-ETFs oder Smart-Beta-ETFs lohnt.
Lohnen sich Smart-Beta-ETFs für Anleger?
Immer wieder werden wir gefragt: Soll ich einen Smart-Beta-ETF kaufen? Kann ich mehr verdienen, wenn ich auf die Faktoren Momentum, Value, Quality oder Size (Small Caps) setze?
Um diese Fragen zu beantworten, haben wir zwei ausgewiesene Experten zum wissenschaftlichen Streitgespräch gebeten und beide gefragt: Sollen unsere Hörer auf Smart-Beta setzen?
Dr Gerd Kommer ist Pro-Faktor, Professor Martin Weber von der Universität Mannheim und der Behavioral Finance Forschung hält nichts von Faktoren.
Zunächst einmal stecken wir das Spielfeld ab:
- Was ist das überhaupt: Ein Faktor? Wie ist er definiert?
- Stichwort Faktor-Zoo: Welche Faktoren gibt es überhaupt?
- Gibt es Faktoren nur bei Aktien oder auch bei Anleihen?
- Welche davon sind für den Privatanleger relevant, weil investierbar?
- Eignen sich Faktor-ETFs eher nur für fortgeschrittene Anleger?
- Sind die Kosten für Faktor-ETFs höher als bei normalen ETFs?
Jetzt wissen, wir was im Legokasten drin ist. Jetzt die Frage: Was bedeutet Faktor-Investing? Was macht ein Faktor-Investor anders als ein normaler passiver Buy&Holder?
Verständnisfragen
Wieso soll Faktor-Investing langfristig funktionieren?
Ist es nicht so, dass viele Renditejäger des Faktors Tod sind? Wie kann regelbasiertes Alpha funktionieren?
Herr Kommer schreibt auf S. 280 der neuesten Ausgabe seines Buches:
„Wenn ein Faktor verschwindet, dann war er nicht „echt.“
Darauf der Finanzwesir
„Was, wenn ich im Vertrauen auf die Faktor-Echtheit einen ETF erworben habe, der diesen Faktor ausbeuten sollte? Dann steh ich da mit den erhöhten Kosten!
Und glauben Sie mir: Unsere Hörer sind kostenbewusst. 0,05% mehr oder weniger bereiten denen schlaflose Nächte. Nicht echte Faktoren werden da nicht so gerne gesehen.“
Herr Weber auf die Frage, was er von Faktoren hält:
„Nicht so viel. Heute sogar noch weniger als früher, und ich beschäftige mich schon sehr lange mit dem Thema. Das hat einmal damit zu tun, dass Faktoren auf dem Papier sehr gut aussehen, aber in der Wirklichkeit sieht das oft anders aus. Quelle
Lässt sich das wissenschaftliche Alpha überhaupt sinnvoll in einen UCITS-ETFs überführen?
Diese Long/Short-Konstruktionen sind für Publikums-Fonds nicht uneingeschränkt zugänglich.
Ich will aber ein Faktor-Depot haben!
Was bedeutet Factor Investing in der Praxis?
- Welche Überrendite kann ich erwarten?
- In welchen Zeiträumen soll ich denken? Reichen 6 Monate oder muss es eher eine Ewigkeit sein (also so knapp ein Jahr)? Nach einem Jahr könne die meisten Anleger (egal ob Profis oder Privatanleger) eine vom Index abweichende Performance nach unten nicht mehr ertragen und fangen an umzuschichten.
- Was, wenn Sir Value keine Lust hat aufzutauchen und Rendite zu machen und mein Nachbar mit seinem 08/15-Depot besser dasteht?
- Wie findet man eine optimale Anlagestrategie für sich selbst und integriert Faktoren?
Konkrete Anlage
- Ist es nicht für die meisten Menschen realistischer sich eine Zeile ins Depot zu legen und fertig? Wir denken da an Fonds wie den ARERO oder die Weltsparen- und Lyxor (vormals Comstage)-Portfolio-Fonds. Mit 50 € ist man im Sparplan dabei.
- Wie sähe denn ein vernünftiges Faktor-Portfolio aus?
- Welche Sparsummen brauche ich, um ein ausgewogenes und breit diversifiziertes Portfolio aus Faktor-ETFs zusammenzustellen?
Reicht da der Small-Value-Momentum-Quality-Faktor-ETF als eierlegende Wollmilchsau? Eine Zeile im Depot und fertig. Kann man sowas überhaupt sinnvoll konstruieren oder interferieren da die einzelnen Faktoren?
Oder sollte ich für jeden Faktor einen eigenen ETF wählen? - Gibt es diese ETFs an der deutsche Börse? Lohnt es sich nicht eher aktiv Aktien kaufen zu lassen? Kann ich sie in einem ETF-Sparplan besparen?
- Welchen Einfluss haben ein Momentum-ETF oder deutsche Nebenwerte? Lässt sich das ganze bspw. über einen iShares ETF abbilden?
In den Mokassins des anderen gehen
Wie es sich für zwei Häuptlinge gebührt:
- Herr Weber: Wie würden Sie ein Faktor-Portfolio aufbauen?
- Herr Kommer: Wie sieht Ihr Portfolio aus, das nur die faktorfreien Anlageklassen Aktien, Anleihen und Rohstoffe enthält?
Folge “Faktor-ETFs” gleich anhören
Links zum Podcast
- Podcast: „Anleger machen häufig die gleichen Fehler – Interview mit Dr. Christine Laudenbach vom ARERO-Team
- Podcast: Faktor-ETFs und Smart Beta – Der Finanzwesir rockt, Folge 40
- Smart-Beta-ETFs: Das Trojaner-Problem
Medienempfehlungen von Dr. Gerd Kommer
Links zu vier neueren akademischen Studien, die ich in diesem Zusammenhang für interessant halte (naturgemäß alle in Englisch):
Ein anspruchsvolles, jedoch nicht wissenschaftliches Buch zu Factor Investing:
Your Complete Guide to Factor-Based Investing: The Way Smart Money Invests Today*
Medienempfehlungen Professor Weber
- What You See is Not What You Get:The Costs of Trading Market Anomalies
- Does Academic Research Destroy Stock Return Predictability? Das war auch eine Empfehlung von Dr. Gerd Kommer.
Eine Auswahl der Bücher unserer Gäste
Dr. Gerd Kommer
- Campus Verlag GmbH
- Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs: Wie PrivaBräunenleger das Spiel gegen die Finanzbranche gewinnen, plus E-Book inside (ePub, mobi oder pdf)
- ABIS-BUCH
- Kommer, Gerd (Autor)
Professor Martin Weber: Die genial einfache Vermögensstrategie
Weitere interessante Interviews
„Beimischungen unter 5 % machen im Depot keinen großen Sinn“ – Interview mit Dr. Gerd Kommer
2 Antworten
Wirklich guter Podcast, ich fand es wirklich sehr interessant, was Herr Kommer und Herr Weber zu sagen hatten und das zu einem sehr interessanten Thema wie Faktor ETFs.
Danke
Gruß Stefan
Mit diesem Streitgespräch geht ein Traum in Erfüllung, von dem ich bis eben gar nicht wusste, dass ich ihn habe. Geniale Idee und eigentlich längst überfällig!